C D s
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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
von Thomas Hintze
Aus seiner umfangreichen CD-Sammlung
fischt der Jazz-Kenner und -Liebhaber
Thomas Hintze für die STEREO-Leser jeden
Monat die schönsten Schätze. Im Folgenden
widmet er sich den Standards.
M e i n e J a z z S t a n d a r d s
„Sweet Lorraine“
M
einen heutigen Standard, der
auf das Jahr
1928
zurückgeht,
gibt es in vielen Fassungen: ange-
fangen vom Oldtimejazz eines Sid-
ney Bechet bis hin zu aktuellen In-
terpreten. Die Musik schrieb Cliff
Burwell, und ich vermute, dass
dies sein einziger größerer Erfolg
war. Der Texter Mitchell Parish hin-
gegen war auch sonst sehr erfolg-
reich, aus seiner Feder stammen
solche Hits wie die „Moonlight Se-
renade“ oder „Stardust“.
Der Durchbruch als Jazzstandard
kam aber erst mit
Nat King Cole
,
als dieser den Titel mit seinem Trio
in den i
94
oern einspielte, deshalb
stelle ich ihn an den Anfang. Das Al-
bum
„After Midnight“
finden Sie auf
der Website von www.jpc.de in vie-
len Versionen, auch als LP gibt es
dieses. Ich würde entweder Letzte-
re oder - wenn es eine CD sein soll
- die Edition von Analogue Produc-
tions empfehlen. Nun aber zur Mu-
sik, denn sie ist ein Beleg dafür, wa-
rum Nat King Cole einen so hohen
Stellenwert in der Jazzwelt genoss.
Hier erlebt man ihn nicht nur als
Sänger, sondern auch öfter als vor-
In meiner nächsten Empfeh-
lung wird zwar nicht gesungen,
aber der Tenorsaxofonist
Hous-
ton Person
, nur begleitet vom Pi-
anisten
Bill Charlap
, lehnt sich
sehr an die Melodien an. Über-
haupt wundere ich mich selbst da-
rüber, dass Houston Person bisher
noch nicht in meinen Empfehlun-
gen vorgekommen ist. Sein leicht
rauer, schnörkelloser Ton ist hier
genau so, wie ich es mag. Seine
Version im Duett mit dem Pianis-
ten klingt, als ob die Stimme Nat
Ausnahme ist die Familie Marsa-
lis. Bei einem hervorragenden Pia-
nisten und Lehrer wie Vater
Ellis
Marsalis
lag es nahe, dass auch
die Söhne Musiker wurden. Der
bekannteste ist sicher der Trom-
peter Wynton Marsalis, doch sein
älterer Bruder, den ich mit seinem
Vater vorstelle, entschied sich für
das Saxofon. Und es gibt ja auch
noch Delfeayo (Posaune) und Ja-
son (Schlagzeug): Na, wenn das
nicht eine komplette Band ist!
Doch leider sind sie selbst auf der
terkopf hatte. Eine großartige Plat-
te. Produziert hat sie übrigens der
zweitjüngste Sohn Delfeayo, somit
handelt es sich doch um ein Fami-
lienunternehmen.
Wenn ich früher in Japan gewe-
sen bin, habe ich mir oft CDs des
Labels Somethin’ Else nach Hause
mitgebracht, eine Art japanischer
Ausgabe von Blue Note. Sie waren
hervorragend produziert, und auch
gute Musiker waren dort vertreten.
Ein Beispiel dafür ist
Ron Carter
mit
der CD
„Jazz, My Romance“
, das
Album wurde inzwischen bei Blue
Note veröffentlicht. Der berühmte
Bassist spielt hier zusammen mit
Herb Ellis (Gitarre) und Kenny Bar-
ron (Klavier) in einer Art und Weise,
die mich sehr an klassische Kam-
mermusik erinnert. Gerade diese
intime Atmosphäre, wo jeder sei-
nen Part hat, macht die Faszina-
tion aus - und dann natürlich der
Bass von Ron Carter. Hier muss er
einmal nicht aus dem Hintergrund
agieren, sondern darf seinem Ins-
trument Melodiebögen entlocken.
„Sweet Lorraine“ ist bei den drei-
en eine swingende, lockere Ange-
Nat King Cole and his Trio:
After Midnight
Houston Person with Bill Charlap:
You Taught My Heart To Sing
Ellis & Branford Marsalis: Loved Ones
Ron Carter: Jazz, My Romance
züglichen Pianisten, zudem wirken
bei den einzelnen Titeln großartige
Jazzmusiker mit, wie der Trompeter
Harry Edison. Für mich bleibt „Sweet
Lorraine“ immer mit Nat King Cole
verbunden, auch wenn Oscar Peter-
son auf „With Respects To Nat“, sei-
ner Reverenz an den Pianisten Cole,
diesem fast zum Verwechseln ähn-
lich klingt. Ich sollte noch erwähnen,
dass Stuff Smith, einer der wenigen
richtigen Jazzgeiger, einige Titel mit
seinem Instrument unterlegt. Auch
das hört man nicht alle Tage. Die
Klangqualität ist hervorragend, da
stört es überhaupt nicht, dass die-
se Aufnahmesession aus dem Jahr
1956
nur in Mono existiert.
King Coles auf das Tenorsaxofon
übertragen worden wäre. Die CD
„You Taught My Heart To Sing“
(High Note) tönt genau so, wie es
der Titel verspricht: gesanglich.
Die Klangqualität, gleich ob Saxo-
fon oder Klavier (Letzteres aber be-
sonders), ist exzellent. Wieder ein-
mal hat hier der Klangmagier Rudy
van Gelder Regie geführt, und dies
gleich in puncto Aufnahme, Abmi-
schung und Mastering. Da muss-
te es ja etwas Besonderes werden.
Welcher Jazzmusiker hat nicht
einmal den Wunsch verspürt, ge-
meinsam mit seinen Kindern Mu-
sik zu machen? Bei den meisten
bleibt dies nur ein Wunsch, eine
CD „Father And Sons“ nicht al-
le dabei. Nun aber zu der CD mit
Ellis & Branford Marsalis
„Loved
Ones“
(Columbia). Im Gegensatz
zu Person/Charlap hören wir hier
einige Titel mit Soloklavier - da
muss der Vater mal richtig ran. Bei
der Mehrzahl der Stücke, darunter
auch „Sweet Lorraine“, wird aber
mit Beteiligung des ältesten Soh-
nes musiziert. Da Branford Marsa-
lis einer anderen Generation ange-
hört, geht er mit den Stücken frei-
er um, das betrifft nicht nur „Sweet
Lorraine“. Vergleichbar ist aber,
dass er sich anscheinend eben-
falls in diese wunderbare Melodie
verliebt bzw. Nat King Cole im Hin-
legenheit. Kenny Barron am Kla-
vier führt in das Thema ein, um
dann Ron Carter darüber impro-
visieren zu lassen. Das Schöne an
den Aufnahmen ist, dass seine So-
li nicht in ein Spektakel ausarten,
sondern ganz den Themen unter-
geordnet sind - es ist einfach sou-
verän, was er hier macht. Herb El-
lis hält sich etwas im Hintergrund,
konzentriert sich also auf den Beat,
aber Kenny Barron muss ich unbe-
dingt hervorheben: Sein Klavier
klingt einfach wunderbar, da ha-
ben die japanischen Produzenten
ganze Arbeit geleistet, Gratulati-
on! Ich wünsche Ihnen viel Spaß,
Ihr Thomas Hintze.
138 STEREO 5/2014
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